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06.09.2023

Altkleiderballen. „Zu sagen, was drinnen ist, können wir nicht sagen“.

Caroline, Douglas Mutembei. Im Hintergrund Altkleiderballen.

Nairobi/Kenia, 2 Uhr morgens in Gikomba. Man hört die ersten Motorräder und Fahrzeuge. Menschen mit ihren Handkarren transportieren ihre Waren auf unwegsamen und staubigen Wegen. Auf diesem unkontrollierten und größten Open-Air-Markt Ostafrikas werden in behelfsmäßigen Verkaufsständen Altkleider und Textilien aller Art feilgeboten. Der Lärmpegel wird im Laufe des Tages noch unerträglich zunehmen. Tagediebe mischen sich unter die Leute. Es fehlen Zufahrtsstraßen, was gelegentlich zu Feuerausbrüchen führt, die manche Leute Brandstiftern zuschreiben, die versuchen, sich Teile des Marktes anzueignen.

Douglas Mutembei, Mitarbeiter unserer Partnerorganisation, der CWM Kenia, berichtet, dass Mitglieder der Selbsthilfegruppen, HISA, selten am Handel mit Altkleidern beteiligt sind oder nach den risikobehafteten Kleinkrediten hierfür anfragen. Dennoch verkaufen einige die Waren

auch in den Slums, wie in Korogocho.  Die Nachfrage nach der günstigen Kleidung ist auch bei den CWM-Mitgliedern immens hoch. Bereits für 20 Cent kann man ein T-Shirt erwerben. (extrem schlechte Qualität)

Douglas interviewte für uns Caroline, 41 Jahre alt verheiratet und Mutter von drei Kindern. Seit 7 Jahren betreibt sie den Handel mit Altkleidern. Diese werden in Ballen (Mitumba) in diesen Bereich und dem angrenzenden Gebäude geliefert.

Das Problem ist, dass man die Ware nicht sehen kann. Ich versuche immer, eine offene Stelle im Ballen zu entdecken, um anhand von Etiketten die Qualität herauszufinden und schaue, ob die Kleidung sehr alt oder gar schmutzig ist, sagt Caroline.  Aus der zusammengefassten Lieferung und Rechnung lässt sich das leider nicht erkennen.  Oft sind unbrauchbare Textilien dabei. Viele Menschen, die wie Teepflückerinnen nicht von ihrer Arbeit allein leben können, versuchen hier einen Zweitjob als Händlerin, Lieferantin oder Marktverkäuferin. Es ist ein riesiger Markt an Kleinstunternehmern, die ihre Familie ernähren oder das Schulgeld für ihre Kinder bezahlen müssen. Dieser Markt ist der zentrale Umschlagsplatz für die Altkleider. Ich hatte einmal ein Ballen mit unverkäuflicher Ware von einem unseriösen Händler erworben, so Caroline, sodass ich viel Geld verloren hatte und meine Familie und Freunden das geliehene Geld nicht zurückzahlen konnte. Mein Geschäft brach zusammen. Abgesehen von den täglichen Verpflichtungen steht mein aufgenommener Kredit immer noch aus. So werden von anderen Händlern die Ballen, die auf dem Foto hinter mir zu sehen sind, gebracht und ich füge eine kleine Gewinnspanne hinzu, um zu überleben. Mein Mann ist aktuell auf der Suche nach einer niedrigen Arbeit. Als Familienfrau kann ich sagen, dass es hart war, seit dem Geschäftskollaps.

Obwohl es sich um einen informellen Markt handelt, hat er tausenden von Arbeitsplätzen für Ungebildete und Menschen aus dem unteren Teil der Pyramide geschaffen. Es ist ein Geschäft, das man machen kann, solange man ein Startkapital hat.

Jedoch wird mit den Billigkleidern vor allem aus China und Deutschland die einheimische Textilproduktion der farbenfrohen und bunten Kleider mit ihrer langen Tradition langsam zerstört.  Hauptsächlich sind es die Billigkleider der „Fastfashion“ aus synthetischen und nicht wiederverwertbaren Materialien, die hier in Kenia landen. Jeder Deutsche kauft im Schnitt 60 Kleidungsstücke pro Jahr, Tendenz steigend.

Die unverkäufliche, zerrissene oder verschmutzte Kleidung landet in Kenia’s Städten auf riesigen Müllhalden oder illegal in Flüssen und im Meer, wo Plastikpartikel die Umwelt und die Tierwelt stark belasten. Um den einheimischen Markt zu schützen, hat Uganda’s Präsident nun den Import von Altkleidern verboten. (im Einklang mit dem 2016 vereinbarten Verbot in den Ländern der Ostafrikanischen Gemeinschaft). Die dortigen Händler sind jedoch skeptisch, ob die Märkte nicht doch Billigkleidung anbieten werden.

Die EU-Kommission hat nun vor einigen Wochen einen Vorschlag zur Überarbeitung der EU-Abfallrahmenrichtlinie vorgelegt, durch die Herstellern die Verantwortung für den gesamten Lebenszyklus von Textilprodukten auferlegt werden soll. Allerdings bleibt der Vorschlag hinter den Erwartungen zurück, da u.a. das gut funktionierende Sammelnetz der Kommunen und karitativen Organisationen in der neuen Richtlinie keine Berücksichtigung gefunden hat.